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Eine neue Lebenserfahrung

Wir erleben hier ständig Neues. Das Gefühl, das wir am vorletzten Wochenende hatten, war aber nicht nur neu, es war ebenfalls sehr unangenehm. Es war das Gefühl, sich wegen seiner Hautfarbe unsicher zu fühlen.

Alles begann damit, dass ein alter Curahuasino, ohne Führerschein, ohne Versicherung und dazu noch besoffen mit seinem Geländewagen einen LKW und dann ein Taxi rammte. Hinten im Auto lag ein 35-jähriger und schlief. Das Ärzteteam von Diospi kämpfte tagelang um den Mann. 15 Leute kamen um diesem Mann Blut zu spenden. Dazu gehörte auch Mandy. Für sie ist Blut spenden nicht gerade ungefährlich. Auch unser Traumatologe, der Tag und Nacht um das Leben des Mannes kämpfte, spendete in einer Nacht Blut, obwohl er mit seinen Kräften schon völlig am Ende war. Eine tagelange Gebetskette der Missionare und Christen in verschiedenen Ländern wurde ins Leben gerufen. Der Mann starb nach acht langen Tagen. Alles vergeblich. So schien es. Wir hatten Kontakt zu seiner Schwägerin. Sie ging in Cusco mit uns in die selbe Gemeinde. Sie berichtete, dass er sich vom Glauben abgekehrt hatte. Durch den Unfall hat er sein Leben bereut und zu Jesus gefunden. Für ihn hat sich der Unfall gelohnt - so heftig das klingen mag.

Leider wurden in den Tagen danach schlimme Gerüchte in Curahuasi und sogar ganz Peru gestreut. Es lohnt sich, die Lügengeschichten (hier) nachzulesen. Diese Lügen führten dazu, dass uns als Missionare empfohlen wurde, nicht aus dem Haus zu gehen. Es wurden mehr als hundert Leute organisiert, die Randale machen sollten. Auch ein Bergdorf, das für seine Aggressivität bekannt sei, wurde mobilisiert. Sie liefen durch die Straßen mit Plakaten auf denen Botschaften standen wie: "Gringos, les haremos justicia!" (Weiße, wir werden euch richten!).

Wir erfuhren von dem Ganzen, als wir mit dem Schulkollegium zelten waren (etwa 1,5 Stunden von Curahuasi entfernt). Man sollte seine Autos sichern und am besten auch auf sein Haus aufpassen. Wir waren ja leider nicht da, um das tun zu können. Die ganze Situation hat uns schon echt Sorgen gemacht. Am Samstag musste Jonathan zudem nach Cusco fahren, um Anna abzuholen. Mandy und die Kinder sollten in Curahuasi bleiben. Da der Friedhof ganz in der Nähe von unserem Haus ist, waren wir uns besonders unsicher, ob Mandy und die Kinder wirklich nach Hause sollten. Sie blieben in der Zeit bei Familie Tielmann, die schräg gegenüber wohnen. Als wir dazu durch Curahuasi fuhren, fühlten wir uns sehr komisch. Was würde passieren, wenn uns jemand dieser Leute sähe. Würde er Steine schmeißen oder irgendwas anderes machen? Unsere Nachbarin empfahl Mandy auch in den Tagen danach sich nicht unbedingt auf der Straße blicken zu lassen. Sie bot an, für uns einzukaufen, etc. Wir haben vielen Leuten per WhatsApp geschrieben, dass sie doch bitte für uns beten sollten.

GOTT sei Dank ist nichts passiert. Überhaupt nichts. Unsere peruanische Nachbarin hat ihre Töchter zu der Beerdigung geschickt, nach der die Protestaktion losgehen sollte. Sie haben gehört, wie Leute versucht haben, die Beerdigungsbesucher für den Protest zu gewinnen und sie aufstacheln wollten. Die Curahuasinos haben aber abgelehnt. Die Leute seien daraufhin wütend verschwunden und wollten sich neu organisieren (wohl vergeblich). Ähnliches haben auch peruanischer Mitarbeiter von Diospi berichtet.

Die Curahuasinos haben ihre Loyalität gegenüber Diospi am vergangenen Wochenende noch stärker zum Ausdruck gebracht: sie haben eine Demonstration FÜR Diospi abgehalten. Besonders schön fanden wir ein Plakat auf einem Mototaxi auf dem stand: "Klaus und Martina, das Dorf gibt euch Rückendeckung und dankt euch!" HIER findet ihr auch Bilder und ein Video von dieser Veranstaltung.

Wir sind GOTT sehr dankbar, dass alles so gut ausgegangen ist. Es tut jetzt richtig gut, in Curahuasi unterwegs zu sein und zu wissen, dass die Einwohner voll hinter (und vor) uns stehen. Danke auch für eure Gebete!

Für uns war die Erfahrung besonders beeindruckend, weil wir gemerkt haben, wie gut es uns doch sonst geht (auch in Deutschland). Man braucht keine Angst vor Verfolgung zu haben. Wie geht es da Missionaren in anderen Ländern, Menschen in Kriegsgebieten oder Flüchtlingen auf der Flucht, bzw. leider auch IN Deutschland?

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